Forschungsgebiete
Prof. Dr. Michael Forger
August 2015
Mathematische Physik
Exakte Methoden und Resultate in Mechanik und
Feldtheorie, klassisch und quantisiert, einschliesslich integrabler Systeme.
Aktuelle Forschungsgebiete
und Projekte:
1.
Allgemeines
Thema: Geometrische
Feldtheorie.
Allgemeines Ziel ist die Weiterentwicklung der
klassischen Feldtheorie - des allgemeinen Formalismus ebenso wie der Behandlung
spezieller Modelle - von einem geometrischen Standpunkt aus, unter Betonung struktureller
Aspekte, die für die Quantisierung von Bedeutung sind.
Projekt: Kovarianter Hamiltonscher Formalismus
für die Klassische Feldtheorie.
Der
übliche Hamiltonsche Formalismus der Feldtheorie unterscheidet sich von der
Lagrangeschen Formulierung durch die Brechung der manifesten Kovarianz (d.h.
der Lorentz-Kovarianz der speziellen Relativitätstheorie bzw. der allgemeinen
Kovarianz der allgemeinen Relativitätstheorie), da er a priori die Wahl
einer Cauchy-Hyperfläche für die Anfangsdaten voraussetzt. Es gibt gegenwärtig
zwei Methoden zur Überwindung dieses Mangels: der multisymplektische oder poly-symplektische
Formalismus – ein neuer Zweig der Differentialgeometrie, der eine
Rolle analog zu der der symplektischen Geometrie in der klassischen Mechanik
spielt und der in seiner lokalen Form auf Arbeiten von DeDonder und Weyl aus
den 1930er Jahren zurückgeht – und der funktionale Formalismus, der
auf dem in den 1980er Jahren von Crnkovic und Witten propagierten Konzept des kovarianten Phasenraums beruht, welcher
als Raum der Lösungen der Bewegungsgleichungen definiert ist, anstelle des
entsprechenden Raums von Anfangsdaten. Die besten Resultate lassen sich durch
Kombination dieser beiden Zugänge erzielen.
Gelöste
Probleme: allgemeine Definition kovarianter Poisson-Klammern, im
multisymplektischen und polysymplektischen Zugang ebenso wie im funktionalen
Formalismus (Peierls-DeWitt-Klammer) [MP-P – 21,24,25,27, MP-S –
1]; allgemeine Definition multisymplektischer und polysymplektischer Strukturen,
welche die in der Physik interessanten Fälle umfasst und zugleich den Beweis
eines Darboux-Theorems gestattet [MP-P – 30]; Klassifizierung
multisymplektischer und polysymplektischer Zusammenhänge und Beweis eines
tubulären Umgebungssatzes à
Gegenwärtig
untersuchte Probleme: Beschreibung von Symmetrien in Eichtheorien, minimale
Kopplung und Utiyama-Theorem unter Verwendung von Lie-Gruppoiden und
Lie-Algebroiden [MP-S – 5]; Hyperbolizität von Systemen partieller
Differentialgleichungen erster Ordnung, abzielend auf einen Beweis der Existenz
von Greenschen Funktionen (retardiert, avanciert und kausal) für die
linearisierten DeDonder-Weyl-Gleichungen [MP-S – 6]; Behandlung von
Systemen mit Nebenbedingungen und insbesondere von Eichtheorien.
Referenzen:
Originalarbeiten [MP-P – 21,24,25,27-31] und eingereichte Artikel oder
Artikel in Vorbereitung [MP-S – 1,4-6].
Projekt: Neue
Aspekte in der nichtkommutativen Geometrie
Aus der
Suche nach einer Verallgemeinerung der DFR-Algebra, 1995 von Doplicher,
Fredenhagen und Roberts als Modell für eine “quantisierte
Raum-Zeit” vorgeschlagen, von der flachen Raum-Zeit (Minkowski-Raum) zu
gekrümmten Raum-Zeiten mit wohldefinierter Kausalstruktur (global hyperbolische
Lorentz-Mannigfaltigkeiten), ist eine allgemeine Konstruktion einer C*-Algebra
hervorgegangen, die von einem beliebigen Poisson-Vektorbündel, über einer
beliebigen Mannigfaltigkeit, ausgeht und als einen sehr speziellen Fall die
DFR-Algebra reproduziert: es ist die Algebra der stetigen und im Unendlichen
verschwindenden Schnitte eines C*-Bündels, über derselben Mannigfaltigkeit,
dessen Faser in jedem Punkt eine neue Version der “C*-Algebra der
kanonischen Vertauschungsrelationen” ist, die aus der Faser des
ursprünglichen Poisson-Vektorbündels im gleichen Punkt mit Techniken aus
Rieffels “strikter Deformations-quantisierung” konstruiert wird
[FM-S – 2]. Die Methode öffnet neue Wege für die nicht-kommutative
Geometrie, denn sie liefert eine große Klasse von konkreten Beispielen für die
Untersuchung der Beziehungen zwischen nicht-kommutativer Topologie, die durch
C*-Algebren (als Verallgemeinerung der kommutativen Algebra der stetigen
Funktionen auf einem topologischen Raum) beschrieben wird, und nicht-kommutativer
Geometrie, die durch eine gewisse Klasse von Fréchet *-Algebren (als
Verallgemeinerung der kommutativen Algebra der glatten Funktionen auf einer
differenzierbaren Mannigfaltigkeit) beschrieben wird: es steht zu hoffen, dass
dieser Zugang zur Klärung einer der zentralen Fragen der nichtkommutativen Geometrie
beitragen kann, nämlich, wie genau denn diese “gewisse Klasse” zu
definieren wäre. Ein wichtiges und bereits gelöstes Teilproblem in dieser
Richtung ist die Frage nach dem geeigneten mathematischen Rahmen für eine
Theorie von nicht-kommutativen topologischen Mannigfaltigkeiten: gemäß [MP-S
– 3] sollten diese durch Garben von lokalen C*-Algebren (als
Verallgemeinerung der kommutativen Algebra der stetigen Funktionen auf einem
lokal kompakten aber nicht kompakten topologischen Raum) zu beschreiben sein. Hierdurch
erübrigt sich die Notwendigkeit der Betrachtung von C*-Algebren ohne Einheit
(als Verallgemeinerung der kommutativen Algebra der am Rand oder im Unendlichen
verschwindenden stetigen Funktionen auf einem lokal kompakten aber nicht
kompakten topologischen Raum), und die algebraische Struktur kann mit den
Konzepten und Methoden der Garbentheorie in Einklang gebracht werden. Es bleibt
das Problem der “lokalen Regularität”, also die Frage, wie der Übergang
aus dem Reich der Stetigkeit zum Reich der Differenzierbarkeit, bewerkstelligt
werden soll.
Referenzen: Eingereichte Artikel oder Artikel in Vorbereitung [FM-S – 2,3].
1. Allgemeines Thema: Integrable Systeme.
Allgemeines Ziel ist die Weiterentwicklung der
Theorie der integrablen Hamiltonschen Systeme, in der Mechanik ebenso wie in
der zweidimensionalen Feldtheorie, hinsichtlich allgemeiner struktureller
Eigenschaften ebenso wie hinsichtlich des Studiums spezifischer Modelle.
Projekt: Neue Algebraische Strukturen in
Integrablen Systemen. (Gegenwärtig
unterbrochen)
Jüngstes
Beispiel einer beim Studium integrabler Systeme aufgedeckten neuen
algebraischen Struktur ist das Konzept einer dynamischen R-Matrix. Im
Gegensatz zum Begriff einer gewöhnlichen R-Matrix oder numerischen R-Matrix,
der Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre von Yang und Baxter eingeführt
wurde und sich als zentral für ein völlig neues, heute unter dem (etwas
unglücklichen) Namen "Quantengruppen" bekanntes Gebiet der Mathematik
erwiesen hat, ist seine genaue mathematische Bedeutung immer noch nicht
vollkommen klar. Zuerst Mitte der 1980er Jahre bei der Analyse der
Poissonklammern von Elementen der Monodromiematrix integrabler klassischer
nicht-linearer Sigma-Modelle in zwei Raum-Zeit-Dimensionen entdeckt, wurde
seine Untersuchung durch Singularitäten bei kurzen Abständen behindert, die für
ein feldtheoretisches Problem wie dieses typisch sind. In der Mechanik ist die
Situation günstiger, da dort solche Singularitäten nicht auftreten. Daher haben
wir mit einer systematischen Untersuchung dynamischer R-Matrizen für die
Calogero-Modelle begonnen - die traditionellsten integrablen Systeme der
Mechanik, in denen diese neue Struktur auftritt.
Referenzen: Originalarbeiten
[MP-P – 16,21,22] und Konferenzbeitrag [MP-C – 6].
Biomathematik
Symmetrie und Symmetriebrechung – moderne Konzepte
aus der Physik und der Mathematik, die es erlauben, Aspekte der Evolution
bestimmter biologischer Systeme zu verstehen.
Aktuelle Forschungsgebiete und Projekte:
Projekt: Symmetriebrechung und die Evolution
des Genetischen Codes.
Gemäß
einer 1993 veröffentlichten Hypothese von Hornos und Hornos soll sich der
genetische Code, der die Proteinsynthese in praktisch allen Lebensformen auf
unserem Planeten steuert, schrittweise in einem Prozess entwickelt haben, der
von einer Folge von Symmetriebrechungen begleitet und geführt wurde. Hauptziel
dieses Projekts ist die Klassifizierung der möglichen Symmetrien und
Symmetriebrechungsschemata, die zu der im Standard-Code beobachteten Verteilung
der Multiplizitäten führen - ein rein algebraisches Problem, welches inzwischen
weitgehend gelöst wurde. Es fehlt noch, als ehrgeizigerer Schritt und derzeit
wohl noch ausser Reichweite, die Formulierung eines dynamischen Modells auf der
Basis der Theorie equivarianter dynamischer Systeme (dynamischer Systeme mit
Symmetrie), denn es ist wohlbekannt, dass equivariante Bifurkationen
(Bifurkationen in Gegenwart von Symmetrien) generisch zu Symmetriebrechung
führen.
Referenzen: Originalarbeiten
[BM-P – 1-10] und Artikel in Vorbereitung [BM-S – 2].
Projekt: Gekoppelte Systeme Stochastischer
Prozesse mit Symmetrie und Genetische Expression.
Überraschenderweise
besitzt ein extrem vereinfachtes Modell zur Beschreibung der genetischen Expression,
das aus zwei geeignet gekoppelten stochastischen Prozessen besteht, eine
verborgene Symmetrie unter der Lie-Algebra so(2,1), welche einige exakte
Vorhersagen über das Verhalten des Systems ermöglicht. Damit stellt sich die
Frage, ob es möglich ist, auch für komplexere und vom biologischen Standpunkt
her realistischere Systeme zu ähnlichen Schlussfolgerungen zu gelangen.
Referenzen: Originalarbeiten
[BM-P – 9,11] und eingereichter Artikel [BM-S – 1].